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Nach Wien nehmen die Projektentwickler:innen nun zunehmend die Murstadt ins Visier. Vor allem in den Markt der Büro- und Logistikimmobilien scheint Bewegung zu kommen. Mit dem Smart Tower erhält Graz eine neue Benchmark.
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Eine Wüste längst vergessener Gebäude, verfallende Industriehallen und Gewerbeimmobilien, die allesamt bessere Zeiten erlebt hatten: So trist und düster sah es eine geraume Zeit in einem Randgebiet in Graz aus. Doch durch die gemeinschaftliche Leistung mehrerer Projektentwickler:innen und Investor:innen kehrt hier neues Leben ein. Aus einem ehemaligen Underdog unter den Grazer Bezirken entsteht nun ein Schmuckstück aus neuen Stadtteilen. Der ehemals verschlafene Ort ist endgültig aus seinem Dämmerschlaf erwacht. Mit Türmen, die das Symbol einer neuen Ära sind. Nun ist diese Grazer Vorstadtgeschichte bereit für die große Bühne. Die Investition in eine Erweiterung des öffentlichen Stadtverkehrs kündigt das bereits an. Eine eigens jüngst erweiterte Straßenbahnlinie (6, mit neuer Endstation „Smart City“) weist nun nicht nur auf eine bessere Anbindung, sondern eine aufstrebende, dynamische Zukunft hin. Dann zeugt nichts mehr von der einst trostlosen Vergangenheit, auf den verwaisten Immobilienfriedhof, der wohl traurigsten Entwicklung, die Stadtteilen widerfahren kann. Der Bezirk erhält ein neues Image, ist mit neuem Stolz und dem Wissen um seine Sonderstellung in Graz erwacht und bereit dazu, ein präsentabler Vorzeigebezirk zu werden. Mit der Smart City und dem Science und Smart Tower als gelungenem Herzstück. Moderne Urbanität schafft es auch in den österreichischen Süden – und sie steht ihm.
Im Visier der Investor:innen Ungefähr die Hälfte der hier im Entstehen begriffenen Smart City Graz wird bereits genutzt. Die endgültige Fertigstellung des Bezirks ist für 2025 geplant. Damit dieser Teil der Stadt nie wieder sein früheres Schicksal erleidet, wird für eine ausreichende und umfassende Verbindung von gewerblichen Bau- und Wohnelementen gesorgt. Dabei wird auf nichts verzichtet, was die Lebensqualität auf ein neues Maximum hebt. Das Potenzial der steirischen Landeshauptstadt ist auch ausländischen Investor:innen, insbesondere institutionellen Investoren aus Deutschland, nicht entgangen. Graz bleibt begehrt und ist dabei den anderen Landeshauptstädten weit voraus. Seit Jahren ist dieser anhaltende Trend zu beobachten. Graz bleibt als zweiter städtischer Standort neben Wien im Fokus. Insbesondere Büro- und Logistikimmobilien sind nach wie vor begehrt. Derzeit noch immer ohne erkennbare Trendumkehr.
Bewegung in der Murstadt Es bewegt sich derzeit einiges in der Murstadt. Ein besonderes Objekt, das sich aktuell in der Fertigsstellung befindet, ist der Smart Tower in der Waagner-Biro-Straße 124, neben dem bereits 2017 fertiggestellten Science Tower hat die Smart City nun also ein weiteres Wahrzeichen. So erwarb die Union Investment zuletzt den Tower im neuen Stadtgebiet der steirischen Landeshauptstadt, in dem mehrere neue Stadtteile entstehen. Derzeit befindet sich das Objekt in der Endphase der baulichen Entwicklung. Auf 6.000 Quadratmetern Nutzfläche und acht Stockwerken hat der Projektentwickler Trivalue gemeinsam mit Haring und WEGRAZ Raum für flexible Nutzungsmöglichkeiten und bis zu 400 Arbeitsplätze geschaffen. Dabei wird der Smart Tower als Teil des Entwicklungsgebiets auch den nördlichsten Punkt davon markieren. Am Standort Smart City werden bis 2027 30.000 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Alles steht unter dem Motto „nutzungsflexibel“ – der sich wandelnden Arbeitswelt entsprechend. So wurde das Büroraster derart konzipiert, dass Individualisierungen unterschiedlicher Bürokonzepte ermöglicht werden. Von klassischen Bürosystemen wie Einzel- und Gruppenbüros bis hin zu offenen Open-Space-Großraumbüros kann alles umgestaltet und den Wünschen der Nutzer:innen gemäß adaptiert werden. Neben dem Reininghaus erwacht nun ein weiterer neuer Stadtteil zum Leben, wo Urbanität auf Tradition trifft.
Neue Denkmuster Auch der Bauprozess an sich wurde neu gedacht. So wird nun nicht mehr „on demand“ gebaut, wie es früher üblich war, sondern spekulativ. Die ehemals kleinteilig angelegte Bürostruktur mit geringer Neuflächenproduktion hat sich in ihrem Kern ebenso gewandelt. Die Stadt Graz wächst nach und nach an Bürobezirken, nachdem sich die Ansprüche im Zuge der Corona-Pandemie so wie in anderen Städten geändert haben. Flexibel, großräumig und gemeinschaftlich nutzbar sollen die neuen Büromodelle auf dem Weg in die Zukunft sein. Wegen des zusätzlichen Flächenbedarfs werden bis zum Jahr 2024 ungefähr 91.000 Quadratmeter an Büroflächen fertiggestellt. Laut der Marktanalyse von CBRE eine natürliche Entwicklung aufgrund der steigenden bürobasierten Beschäftigung. So sieht es auch Markus Münzer, Geschäftsführer von Trivalue und Projektentwickler des Smart Towers: „Der Bedarf an Bürofläche ist da. Es ist eine Verteilung oder Verschiebung. Wir haben keine Sättigung. Es gibt eigentlich zu wenig Büroangebot. Der Aufgriff ist in Graz auch nicht so hoch wie in Wien.“
Ein fremder Rhythmus In Graz laufen die Dinge ein wenig anders, teilweise auch gegengleich zu Wien, weiß Markus Münzer. „Der eigentliche Bürokern und Hauptmarkt ist der Technopark Raaba. Die Grazer:innen pendeln nach Graz Umgebung. In jeder anderen Stadt ist es genau anders herum. Das wird auch ein nächster Schritt sein, wo sich die Stadt verändern wird. Es gibt Orte, die Sinn machen und solche, die keinen Sinn machen. Nicht jeder Ort wo man Gewerbe bauen könnte, ist dafür geeignet.“ Graz hat somit eine Sonderstellung im österreichischen Vergleich. Dass man in Wien bereits einiges umgesetzt habe, sei ein Vorteil. Diese Erfahrungen könne man gut nach Graz mitnehmen. Dabei müsse man auf die Sonderstellung der Stadt achten und die Kenntnisse um die unterschiedliche Funktionsweise und Herangehensweise an neue Projekte miteinbeziehen, um den interessanten Markt richtig einzuschätzen.
Graz ist anders Der Ausdruck „spekulativ“ hätte dabei einen allzu negativen Beigeschmack. Im Grunde geschehe eine Anpassung an neue Bedürfnisse. Mit dem Smart Tower dürften diese erfolgreich umgesetzt werden. Wie Münzer erläutert, gibt es noch wenige bis gar keine modernen Büroflächen, schwerpunktmäßig lediglich bei Eigennutzern, nicht jedoch im Mietsegment. „Dieser Trend ist da und der Bedarf wird sich steigern. Dadurch, dass unser Hauptgeschäft in Wien ist und weniger in Graz, profitieren wir von diesem Wissensvorsprung. Den nehmen wir mit nach Graz und setzen ihn da um oder auch in weiteren Entwicklungen in der Smart City.“ Trivalue erarbeitete dazu zunächst in Kooperation mit der TU Graz eine Studie über die Stadt. „Der Stellenwert wird noch etwas verkannt. Im Bürosektor sollte man mit Fingerspitzengefühl agieren. Es gibt Bedarf. Graz ist aber nicht Wien. Der Flächenbedarf ist ein anderer. Graz braucht einen Business District. Man braucht Adressen.“
Eine neue Definition Den Begriff „smart“ müsse man neu und weiter denken. „Die neue Technik von heute ist die alte Technik von morgen. Die Smartness liegt eher im Menschlichen, Konzeptionellen. Das Gebäude passt sich dem Menschen an und nicht der Mensch dem Gebäude. Pionierdenken ist gefragt.“ Smart bedeute viel mehr als nur technologisch versiert und am neuesten Stand der Innovation. Smart müsse inzwischen so weit gefasst werden, dass das menschliche Element, die Softfaktoren, Teil der Rechnung sind. Sie sind das wesentliche Element, das mitentscheidet, ob eine Immobilienentwicklung Bestand hat oder bald wieder ausrangiert wird. Die Attraktivität der Immobilie als täglich zu bewertende Einheit. Gerade im Büro beziehungsweise der Arbeit verbringt man den größten Teil seiner Zeit. Dieses Umdenken, das auch viele Mitarbeiter:innen haben, muss erreicht werden, um einen Arbeitsplatz atmosphärisch zu optimieren. Neben der sozialen Komponente ist das das wichtigste Argument für das Büro als Standort in einer pandemisch-beschleunigten hybriden Arbeitswelt. Beim Wohnen geht es schon lange um kleine Details. Aber auch im Büroleben haben sich die Ansprüche verändert. So wollen auch potenzielle Mitarbeiter:innen, wenn sie es sich aussuchen können, ihren Alltag nicht in einem kühlen Kasten ohne Charisma fristen. Sie wollen das Gesamtpaket aus ästhetischen Elementen. Smart bedeutet nicht bloß up-to-date zu sein, sondern auch den sozialen Aspekt richtig zu erkennen und zielführend einzusetzen. „Das ist das Credo. Das sehen wir bei den Neuabschlüssen mit den Mieter:innen. Die Küche ist das soziale Element. Daneben gibt es Lounges und Bereiche, wo man bewusst von der Arbeit kurz auf Distanz geht. Die Qualität der Fläche hat sich verändert, weil wir mehr Zeit im Büro verbringen als zuhause.“ Das sei eine verkehrte Welt. „Zuhause mache ich mir Gedanken, wie ich mich schön einrichte, damit ich mich wohlfühle, wenngleich ich dort eher nur schlafe. Während ich arbeite, finde ich mich in einem Umfeld wieder, wo ich mich eigentlich nicht wirklich wohlfühle,“ fasst Münzer zusammen. Rückentwicklung zu klassischen Konzepten gibt es nicht mehr.
Gebäudecharakter Genauso wichtig ist es, zeitgemäß zu agieren und dem Remote-Trend etwas möglichst Fabulöses entgegenzusetzen. Denn es gibt keinen Weg zurück in die alte Arbeitswelt. Das hat auch eine Flexible Working Studie von Deloitte Österreich in Zusammenarbeit mit der Universität Wien und Universität Graz gezeigt. „Wir haben uns alle daran gewöhnt, das ist die neue Freiheit. Die Argumente fürs Büro gilt es festzuhalten und umzusetzen.“ Es sei dabei wichtig, kleine Besonderheiten anzubieten. „Freiflächen sind wichtig. Jeder Mensch möchte zuhause seinen Balkon haben und im Büro hat er ihn nicht. Oben gibt es eine große Terrasse. In Wien gehen wir noch ein Stück weiter und versuchen, Bürokonzepte zu entwickeln, wo jedes Büro seinen eigenen Balkon oder eine Freifläche hat. Bei uns im Gebäude ist ein Fitnessbereich mit 100 Quadratmetern dabei. Das ist keine Rocket Science, aber Dinge, mit denen man jetzt punktet und die in anderen Büroflächen aktuell fehlen.“
Trivalue leitet in Graz mit dem Smart Tower eine neue Ära ein. Im März wird der Tower fertig. Im Herbst werden dann alle Mieter:innen in den neuen Turm einziehen. Mit dem 32 Meter hohen Gebäude kommt ein wenig internationaler Wind in die Murstadt.