UNTERNEHMENSPROFILE

Immotermin

KPMG Immo Drinks -
7. Immo-Stammtisch -
9. Immobilienforum Wien 2024 -
Teilen
Merken
Immobilien Magazin

Die Ernennung zum Wiener Stadtbaudirektor als Nachfolger der in den Ruhestand getretenen Brigitte Jilka Anfang Juli des Vorjahres – mit Wirkung zum 1. August, hat damals den einen oder die andere in der Immobilienbranche vielleicht auch etwas überrascht.
Schon jetzt ist aber klar: Die Stadt wird schon in sehr kurzer Zeit eine andere sein, als sie das jetzt ist.

Die 3Ks
Und mit dieser Transformation der Bundeshauptstadt werden sich wohl auch die Marktteilnehmer der Immobilienbranche entsprechend weiterentwickeln müssen – und in der Mehrzahl wollen sie es in diesem Fall übrigens auch. Die Stadt Wien wird grüner, vor allem aber in vielerlei Hinsicht nachhaltiger. Viele der bereits angestoßenen Schwerpunkte, wie die Forcierung von großen Bäumen im öffentlichen Raum waren absehbar, andere freilich etwas weniger erwartbar.
Bernhard Jarolim nennt es die 3K: „Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft und Klimawandelanpassung, beispielsweise mit Fassadenbegrünung.“ Zwischenzeitig wurde sogar eine neue Stabstelle mit bereits vier Spezialisten eingerichtet, die sich der Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen und somit auch dem Thema CO2-Einsparungen und dafür erforderliche neue Regulative widmet. Wobei Jarolim gerade bei der Kreislaufwirtschaft in allen ihren Facetten besonders viele Akzente setzen will. „Besser sanieren als abreißen und neu bauen, wo immer das technisch und wirtschaftlich vertretbar ist.“ Dazu zähle auch der Dachgeschoßausbau, der in der Stadt „gerne forciert werden soll, selbstverständlich mit hohem architektonischen Anspruch.“ Am Ende gehe es eben auch um den Erhalt des Stadtbildes „und da ist unter anderem auch beim Dachgeschoßausbau viel Feingefühl erforderlich.“

Erneuerbare statt Gas
Die de facto von allen erwarteten Schwerpunkte von Jarolim: Die Intensivierung der „Raus aus dem Gas bis 2040“-Initiative, Hand-in-Hand mit einer Forcierung des PV-Ausbaus. Jarolim: „600.000 Wiener Haushalte sind derzeit noch von einer Gastherme abhängig. Wir arbeiten an entsprechenden Finanzierungsmodellen, um hier raschest einen Umstieg auch wirtschaftlich zu ermöglichen.“ Und es wird im Rahmen der OIB-Richtlinien spezielle neue Akzente zum Bereich der Nachhaltigkeit geben. „Aber da müssen wir erst die Details der EU-Taxonomie abwarten“.
Eine kleine Maßnahme mit enorm großer Auswirkung dürfte es künftig im Bereich der Bauträgerwettbewerbe geben, wo die Ressourcenschonung und die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft einen bedeutenden Stellenwert bekommen werden.
Aber das ist freilich erst der Anfang. Denn klar ist auch, beim Neubau ist das Thema Nachhaltigkeit in einer weitgehend fertig gebauten Stadt noch relativ einfach umzusetzen, bei den wohl gut und gerne 90 % Bestandsgebäuden ist das vergleichsweise schon eine Herkulesaufgabe … die aber auch schon in Arbeit ist.

Sportlich, sozial, technisch versiert

DI Bernhard Jarolim (55) begann seine Berufskarriere nach dem Studium der Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung auf der Universität für Bodenkultur im Ingenieurbüro Neukirchen.

1995 wechselte er zur Stadt Wien, wo er zu Beginn in der damaligen MA 40 – Technische Grundstücksangelegenheiten als Referent im Dezernat Liegenschaftsbewertung tätig war.

1998 stieg er zum Leiter des Dezernats „Miet- und Nutzwertberechnung“ auf. Nach einer halbjährigen Jobrotation bei Wr. Wohnen kehrte er wieder als Leiter der Gruppe „Miet- und Nutzwertberechnung“ in die nunmehrige MA 25 zurück.

Im November 2008 wurde Jarolim stellvertretender Abteilungsleiter der MA 25, ab Jänner 2009 Leiter der Stabstelle Support und Kommunikation.

Zwei Jahre später, im November 2010, erfolgte die Bestellung zum Leiter der MA 25. Mit Juni 2017 erfolgte der Wechsel in die Baudirektion als Leiter der Kompetenzzentrums „Bauforschung, Regulative Bau, Ingenieurservices, Normen im Geschäftsbereich“ und zum Bediensteten mit Sonderaufgaben gemäß §9 GOM.

Energiegemeinschaften
im Häuserblock

Was Jarolim hier vorhat, ist in der Auswirkung durchaus spektakulär. „Wir müssen die einzelnen Gebäudeblöcke der Stadt als Gesamtheit sehen, die Energiegemeinschaften bilden könnten. Energiegemeinschaften innerhalb eines ganzen Blockes mit den unterschiedlichsten Eigentümern wie Private, Gemeinde, Genossenschaften und/oder professionellen Investoren sind jedenfalls schon in Umsetzung. Jarolim: „Derzeit wollen das mehr umsetzen, als dann letztlich sofort realisiert werden können. Lieferzeiten der dafür nötigen technischen Ausrüstung, aber zum Teil auch das Wohnungseigentumsgesetz bremsen derzeit noch zu viele Projekte. Aber das Interesse daran ist enorm und nimmt immer mehr zu.“
Aber, da müsse bald noch mehr möglich sein, auch auf der rechtlichen Ebene. „Da wird es nicht anders gehen, als gegenüber dem gesetzgebenden Bund noch etwas Druck aufzubauen.“
„Wo es technisch sinnvoll und von der Versorgung her möglich ist, muss man durchaus über einen obligatorischen Anschluss ans Fernwärmenetz nachdenken.“ Angesichts der jüngsten Preisanhebung bei der Fernwärme in Verbindung mit dem derzeit hohen Gasanteil bei der Fernwärme, nur ein vorübergehender Widerspruch, entgegnet Jarolim, denn: „Derzeit ist z.B. eine Großwärmepumpe für die Fernwärmeerzeugung in Entwicklung, die rund 100.000 Haushalte versorgen wird.“ Generell wird der vermehrte Einsatz von Wärmepumpen auch im sogenannten Altbestand eines der Hauptwerkzeuge für den Ausstieg aus Gas sein. Ebenso wie die Erdwärmenutzung, die in Wien nun auch forciert werden soll.
Und dazu wird es wohl auch notwendig sein, das öffentliche Gut für die Energiegewinnung erschließbar zu machen – aber das ist eine andere Geschichte.

Sanierung im Denkmalschutz
Ob sich bezüglich der thermischen Sanierung beim denkmal- oder ensemblegeschützten Altbestand auch der Denkmalschutz, welcher – so heißt es in der Immobilienbranche – derzeit mehr verhindert als ermöglicht, deutlich bewegen wird müssen? Scheinbar ein intern nicht unheikles Thema, denn der ansonsten extrem klare und direkte neue Stadtbaudirektor zieht sich in dieser Frage in für ihn ungewöhnlicher Weise auf Allgemeinplätze zurück: „Es ist schon jetzt viel möglich.“ Und man müsse es sich dann eben in den speziellen Einzelfällen näher ansehen.
Und auch der „Brandschutz“ (respektive die zuständige Magistratsabteilung), der aktuell, wie es in der Immobilienbranche doch des Öfteren heißt, als Bremser bei der Fassadenbegrünung gesehen wird, wäre wesentlich konstruktiver: „Man muss schon auch sehen, dass die Fassadenbegrünung eine besondere Herausforderung an den Brandschutz darstellt, wo eben auch besondere technische Lösungen gefordert sind. Aber im Grunde geht da sehr viel. Und wenn man sich die Projekte konkret betrachtet, bei denen das nicht gleich möglich war, hatte das immer einen guten Grund.“ Tatsächlich aber möchte Wien auch bei den Fassaden „ergrünen“, aber: „Ab der zirka sechsten Etage hat eine begrünte Fassade auf das Klima des Straßenraumes der Stadt keinen Einfluss mehr.“

Mehr Hochhäuser
Dass dabei das Thema Versiegelung gerade in einer Stadt wie Wien – übrigens ist die Stadt der zweitgrößte Waldbesitzer Österreichs – ein Riesenthema ist, liegt auf der Hand: „Wenn Wien, wie in den letzten 12 Monaten, um rund 39.000 Menschen wächst, dann braucht es natürlich mehr Raum zum Wohnen und zum Arbeiten, aber man muss sich genauer denn je ansehen, wo überhaupt noch gebaut werden soll.“
Also besser in die Höhe als in die Horizontale? „Hochhäuser dort, wo es einen Mehrwert bringt.“ Einerseits sind viele Bereiche, wo Hochhäuser Sinn machen und von der Stadt gewünscht sind, bereits definiert, weil es z.B. im Umfeld schon welche gibt. Wenn aber Hochhäuser in einem Gebiet errichtet werden sollen, wo es aktuell noch keine gibt, wird das seitens der Stadt sehr intensiv und kritisch geprüft. Aber es zeichnen sich schon auch noch neue Bereiche ab. Beispielsweise der Handelskai entlang der Donau, da kommt es sicher zu einer relevanten Höhenentwicklung. Oder auch die Flächen rund um den Gasometer empfehlen sich für Bauten in die Höhe. Auch bei allen zu konvertierenden Bahnhofsarealen wird es weitere Hochpunkte geben.

 

Aufgaben des Wiener Stadtbaudirektors

Der Stadtbaudirektor ist der oberste Techniker der Stadt Wien und ist als Bereichsdirektor in der Magistratsdirektion für die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung im gesamten Geschäftsbereich Bauten und Technik des Magistrates der Stadt Wien verantwortlich. Er wirkt im Magistrat der Stadt Wien als steuernde, koordinierende, richtliniensetzende und im Sinne des Controllings prüfende Stelle.
Folgende Kompetenzzentren, Projektleitungen und Servicestellen sind Teil seines Geschäftsbereichs:

Kompetenzzentrum soziale und kulturelle Infrastruktur, BetreiberInnenservice, NutzerInnenplattform

Kompetenzzentrum technische Infrastruktur, bauliche Sicherheit im öffentlichen Raum

Kompetenzzentrum übergeordnete Stadtplanung, Smart City Strategie, Partizipation, Gender          Planning

Kompetenzzentrum grüne und umweltbezogene Infrastruktur, Umwelt

Kompetenzzentrum Bahninfrastruktur, Regulative Bau, Ingenieurservices, Normen

Bereichsleitung Immobilienstrategie, Infrastrukturbedarfe

Programmleitung Stadtentwicklungsareale für lebenswertes Wohnen

Stabstelle Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen

Services Auftragswesen und ISBA

Services Managementsysteme und IKT

Services Interne Leistungen

 

Mehr gemischte Nutzung
Was der neue Stadtentwicklungsplan STEP an Überraschungen bereithalten wird? Eigentlich nur Erwartbares: „Die Versiegelung zurückdrängen, wo immer das geht. Aber auch im Sinne der produktiven Stadt und der Stadt der kurzen Wege ein behutsames Abgehen von den derzeit gehandhabten, besonders strikten Widmungen.“
Arbeiten und Wohnen im selben Haus könnte also (wieder) zunehmend möglich werden. „Wir durchleuchten gerade eben die „rosa Zonen“, gemischte Nutzungen kann es künftig durchaus öfter geben. Umgekehrt wird aber auch festgelegt, wo Ackerland und wo Grünflächen künftig fix sind und dort konsequent geschützt werden.“
Ein Bereich, in dem die Stadt noch wachsen will, ist weiterhin Rothneusiedl, wo die U-Bahn hingeführt werden soll. Auch die Stadtgebiete Richtung Schwechat werden künftig als Flächenreserve für städtisches Wachstum gesehen und mittels einer neuen Straßenbahn, welche die Stadt Schwechat an Wien anbinden würde, auch besser erschlossen.
Einen großen Schritt weiter ist die Stadt Wien zwischenzeitig auch bei der Digitalisierung des Bauverfahrens. Die digitale Einreichung mittels PDF ist ja schon seit einiger Zeit möglich und die automatisierte baurechtliche Prüfung von Einreichprojekten auf BIM-Basis läuft bereits in einem ersten Testmodus.
„Obwohl das digitale Einreichangebot sehr gut angenommen wird, wollen wir  vorerst die analoge Einreichmöglichkeit weiterhin anbieten, da  wir sonst die kleineren Planungsbüros, die in der Digitalisierung noch nicht so weit entwickelt sind, benachteiligen, wenn nicht sogar ausschließen würden. Das geht natürlich nicht.“ Nachsatz: Es würde aber auf der Hand liegen, dass via BIM eingereichte Projekte schneller bearbeitet und damit der Antrag auch schneller erledigt wird. Ein besonderes Angebot wird die Möglichkeit sein, einzureichende Projekte einem unverbindlichen, automatischen Check unterziehen zu können, ohne schon das Einreichverfahren anstoßen zu müssen.

Mehr Kontrolle vor Ort
Das digitale Bauverfahren wird naturgemäß auch Bearbeitungszeit in der Baubehörde einsparen, die damit für andere Aufgaben frei werden wird. Jarolim: „Wir werden zwar künftig weniger Personen für den administrativen Ablauf brauchen, aber auch im digitalen Bauverfahren entscheidet letztlich immer der Mensch. Die freiwerdenden Kapazitäten brauchen wir gleichzeitig dringend, um vor Ort intensiver die tatsächliche Umsetzung der Bauvorhaben überprüfen zu können – ob tatsächlich auch das errichtet wird, was eingereicht und bewilligt worden ist“.

Neues Richtwertsystem
Auch das Thema Leistbarkeit des Wohnens beschäftigt Jarolim aktuell besonders. „Die Mieten müssen leistbar bleiben, was aber für alle aufgrund der heutigen Boden- und Baupreissteigerungen eine wirklich große Herausforderung bedeutet. Speziell im privaten Vermietungssektor sind die aktuell gültigen Mietzinsregelungen in vielen Bereichen nicht mehr zeitgemäß. Es braucht ein klares, transparentes System, dass sich an den heutigen Umfeldparametern orientiert und sowohl den Mietern als auch den Vermietern faire und leistbare Mieten ermöglicht und dem Grundbedürfnis Wohnen auch langfristige Sicherheit für beide Seiten bietet. Es wäre Zeit für ein neues Richtwertsystem, welches diese genannten Prämissen erfüllt“.